Die Geschichte des Reifens bleibt lebendig
Ausgrabungen und Funde in Europa und Vorderasien geben Zeugnis darüber, wie lange sich bereits Menschen die Vorteile des Rades zunutze machen. Von diesen Erfindungen - sie zählen zu den wichtigsten technischen Errungenschaften - bis zu den Patenten von Robert William Thomson und John Boyd Dunlop vergehen jedoch mindestens fünftausend Jahre. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gelingt es findigen Tüftlern, dem Rad etwas von seiner schroffen Eigenart zu nehmen und ihm mehr Komfort zu verleihen. In der Zeit zum Übergang in das 20. Jahrhundert fahren erste Automobile luftbereift.
Vielschichtiger Reifenaufbau
Möglich wird das mittels pneumatischer Eigenschaften. Ein erster Patentanspruch für einen luftgefüllten Reifen datiert aus dem Jahr 1846; Leinen, Gummi sowie Leder sind dessen Hauptbestandteile. Inzwischen machen etwa zweihundert Werkstoffe und eine Vielzahl sogenannter Halbfertigprodukte einen zeitgemäßen Reifen aus. Ähnlich der Erfolgsformel des dunklen süßen Erfrischungsgetränks unterliegen die Rezepturen der Reifenhersteller hierfür strengster Geheimhaltung. Und was oberflächlich betrachtet wie aus einem Guss anmutet, ist das Ergebnis komplexer Herstellungsschritte.
Zusammenspiel unterschiedlicher Werkstoffe
Mit Ausnahme der auffälligen Weißwandreifen, der Inbegriff schöner Oldtimer-Reifen, ist aktuell die Rede von den schwarzen Gummis. Äußerlich mögen sie gleich erscheinen, das Innenleben ist eine Wissenschaft für sich. Gummi, Stahl und Textil-Materialien bilden das Gros der Reifenelemente. Bis zu fünfundzwanzig Bauteile sowie rund zehn Gummimischungen geben einem modernen Sommerreifen die notwendige Performance. Der sichtbare Laufstreifen kommt in direkten Kontakt mit der Fahrbahn. Er sorgt mit seinem Profil für bestmöglichen Grip, bedarf großer Abriebfestigkeit und soll einen geringen Rollwiderstand aufweisen. Stahl im Gürtel und Kern gibt Halt und Festigkeit. In der Karkasse, dem tragenden Gerüst, kommen zudem Gewebeschichten aus Polyester und anderen Kunstfasern zum Einsatz. Die homogen zusammengebrachten Bestandteile der Gummimischung warten nach einer Ruhephase auf ihre Weiterverarbeitung. Unter anderem hüllt diese Masse das Textilgeflecht und das Stahlgewebe ein. Die zusammengefügten Bauteile werden im Vulkanisierprozess eins. Qualitätskontrollen per Auge, maschinell und durch eine Röntgenanalyse gewährleisten die Güte der äußeren Hülle und des Reifenunterbaus.
Gegenläufige Kriterien
Das Know-how und die Fachkenntnis der Hersteller stoßen bei der Reifenherstellung an unumstößliche Grenzen. Den Alleskönner sucht der Kraftfahrer weiterhin im Sortiment der Anbieter vergeblich. Ein Blick auf die Fülle der Angebote in den einzelnen Rubriken macht deutlich, dass für spezielle Anforderungen eigene Lösungen vonnöten sind. Ein auffälliges Beispiel hierfür sind Sommerreifen und Winterreifen. Insbesondere die Mischung der Gummianteile und das spezielle, auf die Beanspruchungen winterlicher Straßen, zugeschnittene Reifenprofil machen den Unterschied der Winterspezialisten aus. Knifflig für Reifenentwickler ist der Umstand, dass das Drehen an der einen Stellschraube, eine Einflussgröße an anderer Stelle beeinflusst. Rollt das Kraftfahrzeug möglichst komfortabel auf der Straße, geht dies unter Umständen mit einem höheren Verschleiß der Materialien einher. Andererseits wird ein sportlich ausgerichteter Fahrer, der seinem Boliden beeindruckende Beschleunigungswerte und dabei ein sicheres Handling in Grenzbereichen abverlangt, kaum vorbildlichen Abrollkomfort erwarten können.